Ein Blick auf das Arbeiten der Zukunft – Oder: Haben Sie schon mal Stand Up Paddling gemacht?
Zukunft – das ist erst einmal weit entfernt und eher die Zukunft der anderen, sie betrifft uns nicht sofort… ‚Zukunft der Arbeit‘ jedoch geht uns alle an. Was bedeutet es, in einer vernetzten, schnellen, digitalen Welt zu leben und zu arbeiten?
Die Handelskammer Hamburg hatte am 1. Feburar 2017 zu einer Veranstaltung mit dem Titel Arbeitsplatz 4.0 – Erfahrungen aus der Praxis – Ausblick in die Zukunft geladen. Der Albert-Schäfer-Saal war mit ca. 100 Gästen sehr gut besucht.
Zur Eröffnung der Veranstaltung durfte ich den Anwesenden einen 30-minütigen Impuls unter dem Titel „Ein Blick auf das Arbeiten der Zukunft“ geben:
Ein Blick auf das Arbeiten der Zukunft
(Auszug aus den Gedanken zu meiner Keynote vom 1. Februar 2017)
„…Haben Sie schon einmal Stand Up Paddling gemacht? Dann kennen Sie vielleicht die US-Firma Tower Paddle Boards mit Sitz in San Diego. Im Juni 2016 konnte man in der Presse lesen, dass Stephan Aarstol, der Inhaber von Tower, in seiner Firma gerade den Fünf-Stunden-Tag erfolgreich für alle Mitarbeiter eingeführt hat. (Werfen Sie mal einen Blick auf die Öffnungszeiten auf der Homepage)
Er setzte seine Mitarbeiter dafür allerdings unter sehr hohen Druck: Sie sollten sich überlegen, wie sie in den fünf Stunden genauso viel Arbeit erledigen könnten, wie sie es an einem Acht-Stunden-Tag zuvor geschafft hatten. Wer sich das nicht vorstellen konnte, dem drohte die Kündigung.
Das Ergebnis: Niemand ist gegangen, die Mitarbeiter sind motivierter, verdienen mehr, sind produktiver und mehr in das Geschäft eingebunden als zuvor. Die Umsätze kletterten – nach eigenen Aussagen – um satte 40 Prozent.
Warum erzähle ich Ihnen das?
Weil diese kleine Geschichte ein sehr gutes Beispiel für Arbeiten 4.0 darstellt und gleichzeitig zwei der Haupteigenschaften zukünftigen Arbeitsstils benennt:
Verantwortung und Vertrauen
Diese Geschichte zeigt, dass Selbstverantwortung der Mitarbeiter, gebündelt mit effizienten Abläufen und mit korrespondierenden Technologien die Grundlage für Erfolg im digitalen Arbeitsumfeld 4.0 sein können.
Sie zeigt einen Kulturwechsel. Die Mitarbeiter haben diesen Wandel selbst gestaltet und verantwortet – und haben nun mehr Zeit…
Der Blick auf das Arbeiten der Zukunft
Zukunft…das ist erstmal sehr weit entfernt. Zukunft….ist irgendwie immer erst einmal die Zukunft der anderen… Doch das Thema “Arbeit der Zukunft“ geht uns alle an.
Was bedeutet es wirklich, in einer digitalisierten Welt zu leben und zu arbeiten?
Vorab ein kurzer Ausflug in die Geschichte unserer Arbeit. Unser Verständnis von Arbeit ist ungefähr 100 Jahre alt und resultiert noch aus der Zeit, als die Dampfmaschinen in den Fabriken Einzug gehalten haben. Man musste dort sein, wenn die Kessel heiß waren, solange „Dampf“ auf dem Kessel war. Da gab es keine Variablen. Mit dem gleichen Verständnis gehen wir oft heute noch zur Arbeit – obwohl wir keine Dampfkessel mehr haben und die produktive Phase zeitlich eben nicht mehr von Maschinen abhängt.
Im Gegenteil, wir bekommen heute ständig neue technischen Möglichkeiten und Innovationen angeboten, die es uns ermöglichen, flexibel, orts- und zeitunabhängig unsere Arbeit zu erledigen.
Aber was machen wir damit? Was machen wir daraus?
Die wichtigste Voraussetzung für den erfolgreichen Wandel ist die Einsicht, dass der Richtungswechsel für Arbeiten 4.0 im Kopf beginnt! Es sind unsere Denkweisen, die die Nutzung der neuen Möglichkeiten beschleunigen oder bremsen, die sie sinnvoller oder sinnloser machen. Es ist unsere Betrachtungsweise der Dinge, unsere Flexibilität im Kopf, unsere Lernbereitschaft und unsere Agilität, die den Ausschlag gibt.
Die Studie „Digitale Erleuchtung“ des Zukunftsinstituts in Frankfurt stellt die These auf, dass die digitale Transformation mit allen Möglichkeiten der effizienten und neuen Arbeitsgestaltung nicht primär mit Technologie und IT oder mit organisatorischen Abläufen zu tun hat, sondern mit der Perspektive im Kopf.
Der digitale Wandel betrifft uns alle – und die technischen Möglichkeiten zur Vernetzung machen es möglich:
- Mobile Endgeräte entgrenzen die Arbeiten und bringen das Büro in die Hosentasche.
- Cloudlösungen machen auch komplexe Anwendungen jederzeit auf jedem Gerät verfügbar.
- Und mit allen Analytics-Lösungen kann und wird die gesamte Kommunikation und Arbeit analysiert, sukzessive weiterentwickelt und optimiert
- Und nicht zuletzt sehen wir alle zur Zeit deutlicher denn je, welche Macht und Möglichkeiten Social Media hat.
Und trotzdem scheinen uns die technischen Innovationen der Digitalisierung generell erst einmal zu verunsichern.
Das liegt vor allem daran, dass wir gezwungen sind, alte Gewohnheiten und Verhaltensmuster zu ändern und neue zu entwickeln. Viele gelernte gesellschaftliche Normen sind ausgehebelt oder verändern sich gerade.
Veränderung wird also zum Normalzustand
Die rasante digitale Entwicklung mit allen Möglichkeiten zur Vernetzung schafft erst einmal „nur“ den technischen Rahmen, den wir mit Inhalt und Werten füllen.
Das gilt auch für die sich verändernden Arbeitswelten – und zwar ohne dass wir ein Ende absehen können oder uns vorstellen können, was in Zukunft technisch möglich sein wird. Berufe verändern sich, ganze Berufsgruppen wird es in 10 Jahren nicht mehr geben.
Wir lesen das alle oft genug in allen Medien unter Überschriften wie „Greift der Kollege Algorithmus nach Ihrem Bürojob?“, „Nehmen Roboter den Menschen die Arbeit weg?“ oder auch „Ein Roboter als Chef hätte Vorteile“ (FAZ)
Erst kürzlich war zu lesen, dass ein japanischer Lebensversicherer 30 % seiner Mitarbeiter in der Zahlungsabteilung durch die künstliche Intelligenz des IBM Watson Systems ersetzt hat.
Und das Investmentunternehmen Deep Knowledge Venture aus Hongkong berief bereits 2014 einen Algorithmus in den Vorstand.
Arbeit und Berufsbilder verändern sich rasant und so elementar, wie sie sich vielleicht zuletzt beim Wandel von der Agrar- zur Industriestaat verändert haben.
Neue Berufsbilder entstehen: Oder haben Sie tatsächlich schon vor 10 Jahren überlegt, „Digitalberater/in“, „Chief Happiness Officer“ oder „SEO Spezialist“ zu werden?
Viele sich entwickelnde Berufe können wir uns heute noch gar nicht ausmalen.
Die digitale Entwicklung ist schnell, nicht aufzuhalten, sie bietet uns viel – aber sie erfordert auch viel! Sie erfordert unsere Flexibilität und Offenheit, unsere Agilität und unsere Professionalität.
Vor allem aber birgt sie eine GEFAHR: Die Gefahr zurückzubleiben, für alle die, die NICHT Teil dieser Entwicklung sein wollen.
Eine andere Gefahr besteht sicher für diejenigen, die die rasante Entwicklung mitgehen und dabei quasi von ihr „verschlungen“ werden, dazu später mehr. Grundsätzlich ist jedoch Verweigerung auch hier nicht die Lösung.
Was bedeutet dieser Wandel für unsere Arbeitsweise?
- Im digitalen Wissensmeer gekonnt und zielsicher zu navigieren, wird zu einer entscheidenden Herausforderung für Mitarbeiter/innen und für Unternehmen!
- Organisationsformen im Unternehmen müssen angepasst werden.
- Klassische Führungsmodelle verändern sich
- Niemand wird mehr in der Lage sein, „alles zu Wissen – das müssen wir akzeptieren“… Die Generalisten weichen den Experten.
- Die Kommunikation im Unternehmen und im Team verändert sich
- Reine Erfahrung im Job wird nicht mehr ausreichen, um zukünftig erfolgreich zu sein
- Hinzu kommt auch das Wissen über die Veränderungen, an denen wir mit unserem Verhalten aktiv nicht mehr teilnehmen – die autonome Vernetzung- und Entscheidungsfreiheit von Systemen.
Digitalkompetenz
Kein sehr komfortabler Gedanke. Wir sind verunsichert. Wenn uns also technologische Innovationen verunsichern und gleichzeitig die Chancen und Herausforderungen der rasanten digitalen Veränderungen eine Frage der Wahrnehmung sind, dann brauchen wir Wissen! Wissen um die neuen Möglichkeiten einzuschätzen und für uns zu nutzen. Wir brauchen Neugier und Lernbereitschaft! Wir brauchen Digitalkompetenz!
Unser zukünftiger Erfolg und unsere Wettbewerbsfähigkeit werden ganz entscheidend durch den Umgang und die Anpassung unseres eigenen Verhaltens (egal ob Mitarbeiter oder Vorgesetzter – oder beides in einer Person) an die aktuellen Entwicklungen bestimmt werden.
Welchen Veränderungen müssen wir uns stellen?
Arbeit wird flexibler. Arbeit verändert sich. Ebenso unsere Arbeitsweise und die dazugehörige Arbeitsorganisation. Wir müssen uns, unser Verhalten und unsere Strukturen und Abläufe anpassen…
Bevor wir das tun, ist es notwendig,
- dass sich unser Denken den neuen Möglichkeiten anpasst
- dass wir uns erlauben, flexibel auf die neuen Möglichkeiten zu schauen
- dass wir den Kopf frei machen, den Blick öffnen
- dass wir Neues lernen und
- vermeintlich „Unmögliches“ zu durchdenken – vielleicht ist es nur „ungewohnt“ – nicht „unmöglich“!
Es beginnt im Kopf – mit dem Kulturwandel und einer veränderten Form von Zusammenarbeit.
Dazu gehört ebenso ein Um- und Neudenken von Führung und Kommunikation…
…und nicht zuletzt die Schaffung der organisatorischen Voraussetzungen rund um den Arbeitsplatz 4.0 – bei dem sich schon einmal vorab die Frage stellt, ob wir in Zukunft überhaupt noch einen Schreibtisch benötigen…
70 % Soft Skills / 30 % Technik, Prozesse & Organisation
Laut der schon zitierten Studie des Zukunftsinstituts besteht der erfolgreiche Transformationsprozess im Arbeitsumfeld 4.0 ungefähr zu 70 % aus Soft Skills und zu 30 % Organisation, Technik und Prozessen. Diese 30 % sind allerdings absolut grundlegend! Sie sind das Fundament!
Kennen Sie das Buch „Mein Jahr ohne Hosen“?
Scott Berkun ist ein amerikanischer Autor, der sich mit der modernen Arbeitswelt beschäftigt. Er war in frühen Jahren (1994 – 2003) bei Microsoft als Projektmanager tätig und schreibt u. a. für die Washington Post und die New York Times.
Und er hat zwischendurch in seinem Berufsleben ein Jahr ein virtuelles, innovatives Team bei Automattic (dem Unternehmen hinter WordPress) geleitet und dabei eine Arbeitswelt kennengelernt, die seinen Erfahrungen völlig widersprach. Er beschreibt das als große Herausforderung!
Wie führt man ein globales verstreutes Team, das fast ausschließlich virtuell kommuniziert?
Sein Buch „Mein Jahr ohne Hosen“ erschien 2014 und gibt einen – wie ich finde – guten Einblick in neue Arbeitsformen, wie wir sie uns hier noch nicht unbedingt überall vorstellen können.
Automattic ist ein Unternehmen, das seinen Mitarbeitern absolute Freiheit in Bezug auf das WANN/WO und WIE ihrer Arbeit gibt. Verknüpft mit einer völligen Transparenz an Informationen. E-Mails werden nur noch in Ausnahmefällen versandt. Jegliche (!) andere Kommunikation und Information findet in digitalen Chatrooms oder virtuellen Konferenzen statt. Benötigte Informationen muss man sich holen, sie werden nur noch in Ausnahmefällen auf dem Silbertablett serviert.
Automattic bricht für unsere Begriffe komplett mit der etablierten Arbeitskultur. Traditionelle Unternehmensstrukturen sind außer Kraft gesetzt. Teamführung wurde neu erfunden: Teamleiter sind eher Richtungsgeber und Fährtensucher, sie navigieren ein Team, sie bestimmen nicht.
Es ist ein interessantes Buch, ein wenig aus einer völlig anderen (Arbeits-)Welt. Und doch ist dieser Wandel nicht so weit von uns entfernt.
Scott Berkun macht in seinem Buch aber auch klar, das Telearbeit und virtuelle Konferenzen an jedem Ort zu jeder Zeit allein kein Erfolgsrezept darstellen. Für diese Art der Zusammenarbeit braucht es ein Gesamtkonzept, das den Teammitgliedern Selbstmotivation und Selbstverantwortung vermittelt.
So etwas ist ein Lernprozess, ein Kulturwandel für alle Beteiligten, der besonders in der Anfangsphase viele Information, Aufklärung, klare Absprachen und eine gut durchdachte Organisation benötigt. Diese Grundlagen für erfolgreiche Teamarbeit zu schaffen und den Wandel zu moderieren, ist eine klare Führungsaufgabe!
Digitalisierung ist Mannschaftssport
Der Kulturwandel im Unternehmen funktioniert nur GEMEINSAM!
Wenn wir Digitalisierung als Mannschaftssport betrachten und Veränderung zum Normalzustand wird, brauchen wir Training!
- Wir brauchen mehr digitale Bildung und Ausbildung (auch schon in der Schule).
- Wir brauchen die Fähigkeit, digitale Veränderungen in menschliches Verhalten zu ‚übersetzen‘
- Wir brauchen interdisziplinäre Kommunikation ohne „Platzhirschdenken“
- Wir brauchen Überzeugungskraft, um „andere“ zu überzeugen und Vorurteile abzubauen!
Die neue digitale Arbeitswelt setzt stark auf Flexibilisierung und Teamarbeit, wobei zwangsläufig die heute riesige Menge an verfügbaren Informationen immer mehr Spezialisten hervorbringt. Arbeiten muss also immer mehr zum Mannschaftssport werden, in dem für jedes Mannschaftsmitglied Verantwortung für die Sache, Vertrauen ins Team und eine gute, offene Kommunikation selbstverständlich sein müssen.
Diese Entwicklung überlegt zu orchestrieren und dabei die Wissensvermittlung der Spezialisten im Sinne des besten Ergebnisses zu steuern und verbindlich zu kommunizieren, wird die Führungsaufgabe in der zukünftigen Arbeitswelt sein.
Führung im digitalen Arbeitsumfeld
Führung ist heute oft noch recht einfach definiert: Man zerlegt große Aufgaben in kleine und verteilt die entsprechenden Teilaufgaben. Dafür braucht es jedoch die genaue Kenntnis der Abläufe.
Und genau diese genaue Kenntnis aller Abläufe und Informationen wird bei der heutigen Vernetzung und allen digitalen Möglichkeiten im Arbeitsumfeld 4.0 immer unrealistischer. Die Menge an verfügbaren Informationen bringt zwangsläufig immer mehr Spezialisten hervor.
Das Mehr an Technik & Vernetzung und der daraus ggf. resultierende geringere persönliche Austausch im Team bedeutet gleichzeitig eine höheres Maß an emotionaler Führung.
Ist Führung noch zeitgemäß?
Die Komplexität der Führungsaufgabe erhöht sich also ganz erheblich durch diese neue Dynamik. Ist Führung eigentlich noch zeitgemäß? Für mich stellt sich nicht die Frage, ob wir Führung in der modernen Arbeitswelt benötigen, sondern wie wir sie gestalten. Es sind neue Führungskompetenzen gefragt, die sinnhafte Führung in den Mittelpunkt stellen!
Eine zentrale Herausforderung für Führungskräfte in der Arbeitswelt 4.0 ist es also, zukünftig sichtbar „Sinn“ in dezentralen und dynamischen Kontexten über alle Ebenen zu stiften – und Mitarbeitern eine klare Orientierung in einer vernetzten Welt zu geben.
Das bedeutet,
- …Konstellationen zu schaffen, in denen die richtigen Leute kreativ und produktiv interagieren können. Das sind vielleicht Menschen, die selbst gar nicht auf die Idee gekommen wären, zusammenzukommen (oder nach dem Unternehmensorganigramm vielleicht gar nicht „zusammengehören“)
- …dem Team das Selbstvertrauen zu geben, eigene Entscheidungen zu treffen und
- …Wissen bereitzustellen, auch ohne es kontrollieren zu können. (Achtung Kontrollverlust!!!) Ein Team kann gute Entscheidungen aber natürlich nur dann in vollem Umfang verantwortlich treffen, wenn es zu allen relevanten Informationen Zugang hat!
- …gleichzeitig den Mitarbeitern/innen das Vertrauen entgegenzubringen, dass diese Entscheidungen durchdacht sein werden.
- … höhere Konzentration auf Verabredung und Einhaltung sinnvoller, verbindlicher Vereinbarungen (auch Zielvereinbarungen) anstatt auf Detailkontrolle und kennzahlenorientierte Steuerung.
- … UND natürlich die persönliche Kommunikation im – weit verstreuten – Team aufrechtzuerhalten.
Sinnhafte Führung kann so durchaus “Gegenmittel“ gegen die Beschleunigungsfalle sein, der wir so oft gegenüber stehen. Sinnhafte und überlegte Führung ist für den zukünftigen Unternehmenserfolg maßgeblich
Eine solche Umstellung kann nicht von heute auf morgen vorgenommen werden und auch nicht in vollem Umfang von jetzt auf gleich über das gesamte Unternehmen. Es ist aber an der Zeit, ein solches Umdenken Schritt für Schritt in Angriff zu nehmen. Nur dann wird „neues Arbeiten“ zum Erfolg.
Das sind enorme Herausforderungen für Führungskräfte, genauso wie für Mitarbeiter/innen in den Unternehmen, die Verantwortung ggf. auch erst einmal lernen müssen.
Dieses Kompetenzranking ist entstanden aus einer Meta-Studie des Instituts für Führungskultur im digitalen Zeitalter (IFIDZ). Das Institut hat 30 Studien aus den Jahren 2012 – 2016 analysiert (u.a. von Accenture, Deloitte, dem Bundesforschungsministerium, der Deutschen Telekom, IBM, etc.). In Summe wurden 18.274 Menschen in den zugrundeliegenden Untersuchungen befragt.
Die Leitfrage der Metastudie lautet: „Welche Kompetenzen benötigen Führungskräfte, um im Zeitalter der Digitalisierung erfolgreich und nachhaltig führen zu können“.
Mir gefällt, dass das Institut seine Ergebnisse als “verlässlichen Überblick über den Stand der Diskussion“ beschreibt und nicht als festen Standard, dem man strikt folgen sollte. Schauen Sie sich einmal die TOP 3 an: Kommunikation, Menschlichkeit und Vernetzungsfähigkeit…
Dabei darf man nicht aus dem Auge verlieren, dass auch für Führungskräfte, von denen wir einen Löwenanteil der Gestaltung des Wandels erwarten, dabei vieles neu und komplex ist im Umfeld unglaublich schneller und kompakter Informationen.
Sie sind ja selbst „betroffen“, vielleicht sogar in einer Sandwich-Position, die den möglichen Gestaltungsspielraum einschränkt. Sie müssen die neuen Möglichkeiten selbst nutzen, Veränderungen verarbeiten, die sie gleichzeitig vorantreiben und moderieren müssen – und vor allem dafür sorgen, dass alle Teammitglieder mitkommen.
Das ist keine leichte Aufgabe! Denn eine allgemeingültige, generelle Antwort, die für jedes Unternehmen passt, gibt es darauf nicht.
Auch deshalb nicht, weil sich – neben aller Individualität der Unternehmensanforderungen – mit dieser Entwicklung auch automatisch die Rollen- und Anforderungsprofile der Mitarbeiter verändern…
Kommunikation 4.0 – Sprechen Sie noch, oder chatten Sie schon?
Eine lockere Frage, aber dahinter steht genau eine der Herausforderungen beim Thema Kommunikation im Arbeitsleben der Zukunft.
Wenn wir nicht mehr gleichzeitig an einem Ort arbeiten, wie kommunizieren wir dann über die vielfachen, schon heute zur Verfügung stehenden Kanäle?
Gerade, wenn Arbeitszeit und Arbeitsort immer flexibler werden, wird gute Kommunikation – im Team und im Unternehmen – in Zukunft ein wesentlicher Faktor für den Erfolg eines Projektes / eines Unternehmens sein.
Aber was bedeutet GUT? Das ist schwer zu sagen. Da macht es wohl der Mix zwischen digitaler und persönlicher Kommunikation, abgestimmt auf die Situation und die Unternehmensbelange.
E-Mails haben oftmals schon – oder werden in naher Zukunft – ihre Relevanz verlieren. Noch sind E-Mails ja oft auch ein politisches Werkzeug und die cc: Funktion ein beliebtes Mittel der indirekten Delegation…
Aber mit dem vor uns liegenden digitalen Kulturwandel und den sich wandelnden Hierarchie-Vorstellungen wird dieser Nebeneffekt mehr und mehr verblassen. Kollaborations-Tools wie (z.B. Slack) mit “Channels“ sind dann für Teams, für Themen, für Projekte und für andere Gruppen eingerichtet. Beiträge, Dateien, Fotos, etc. lassen sich so leicht Projekten zuordnen und wiederfinden. Natürlich wird gechattet. Auch bündeln diese Tools unterschiedliche andere Dienste wie z.B. twitter oder Skype. Und auch Zeit- und Projekterfassung kann integriert werden. All in one.
Neu und für Viele ungewohnt an dieser Situation ist jedoch, dass dann der Nutzer immer öfter selbst entscheiden kann (und muss!), wann er z.B. welchen “Channel“ besucht, sich die Inhalte ansieht und entscheidet, was er davon benötigt.
Informationen werden also immer mehr zu Holschulden im Arbeitsumfeld 4.0. Den vielgelebten Anspruch der Bringschuld von Informationen („Hat mir niemand gesagt…“) kann bei unserer Informationsmenge schon heute nicht mehr gewährt werden.
Wir müssen also wissen, was wir wissen müssen und wo wir dieses Wissen erhalten –eine Herausforderung.
Wenn persönliche Meetings im Arbeitsumfeld 4.0 seltener werden, weil wir nicht mehr an einem Ort arbeiten, werden sie damit um so wichtiger. Wenn sich ein ganzer Teil unserer Teamkommunikation zunehmend digital abspielt, brauchen wir mehr Aufmerksamkeit im persönlichen Gespräch! Wir brauchen Sozialkompetenz, Professionalität und gute Vorbereitung!
Jedes Teammitglied trägt in Zukunft mehr Verantwortung als zu „analogen Zeiten“ für die Kommunikation und die Informationsqualität in der Gruppe. Dafür ist ein ständiger, umsichtiger Perspektivwechsel notwendig. Wer ist gerade „mein Kunde“? (alle Kollegen?)
Kommunikation im digitalen Wandel braucht Verabredungen, auf die wir uns verlassen können. Spielregeln, die wir gemeinsam festlegen und gemeinsam einhalten. Es braucht Standards, um zur guten Gesamtleistung zu kommen.
Meetingregeln und Strukturen beispielsweise geben diesen Rahmen – für digitale Meetings genauso wie für persönliche Besprechungen.
Bekannte Probleme wie z.B. mangelnde Dialogbereitschaft, schlampig oder gar nicht vorbereitete Meetings mit geringer Beteiligung oder fehlende Informationen sind nicht mehr zeitgemäß.
In der besten aller Arbeit 4.0 Welten kommunizieren Teams im kooperativen Dialog und bearbeitet gemeinsam fachliche Probleme und innovative Themen mit einem hohes Maß an Kreativität und agilem Denken. Es geht um die Sache und das beste Ergebnis
Das wird vielleicht so nie 100 % Realität – das darf uns aber nicht davon abhalten, die richtigen Weichen in diese Richtung zu stellen!
Kommunikation im digitalen Wandel birgt neben vielen Chancen und positiven Aspekten jedoch auch noch andere Herausforderungen.
Work Life Blending
Jeder kennt das: Private Interessen oder Notwendigkeiten dringen tagsüber ins Arbeitsleben ein und nach Feierabend werden noch berufliche Anfragen bearbeitet. Eine Trennung ist schon heute nahezu nicht mehr möglich.
Aus diesem pausenlos möglichen Austausch von Informationen zu jeder Zeit an jedem Ort resultiert oft eine Erwartungshaltung der Erreichbarkeit und Reaktion (von Dritten oder auch gegenüber sich selbst). Das birgt natürlich die Gefahr, irgendwann das Gefühl zu haben, in dieser Informationsflut ertrinken, dem gleichzeitigen Druck aus allen Richtungen nicht mehr gewachsen zu sein.
Durch die zunehmende Beschleunigung im Unternehmen und im Privatleben droht die „Beschleunigungsfalle“. Die Beschleunigungsfalle beschreibt eine kollektive Überhitzung oder Überforderung und ist letztendlich nicht nur für den Einzelnen sehr gefährlich, sondern beeinträchtigt auch die Leistungsfähigkeit des Teams und des Unternehmens.
Die Kunst wird es sein, uns in Zukunft soweit in verantwortlichem und selbstverantwortlichem Denken und Handeln zu trainieren, dass wir die richtige Balance im „Work life blending“ (der Vermischung von Berufs- und Privatleben) finden. Das ist Kulturwandel und damit ebenso eine Führungsaufgabe, wie eine Frage von Selbstvertrauen und Eigenverantwortung jedes Einzelnen.
Unterstützend hilfreich sind hier Unternehmensregeln, wie z.B. die Anweisung (qua Betriebsvereinbarung), dass nach 18:00 h keine E-Mails mehr zugestellt werden. Man mag über die Sinnhaftigkeit und ggf. zu viele gelebten Ausnahmen an dieser Stelle diskutieren. Unbenommen bleibt aber, dass durch solche Regelungen und andere Regelungen eine Grundlage, oder besser ein notwendiger Rahmen, für dieses Thema geschaffen wird, solange eine solche Abgrenzung nicht ganz automatisch in unser Verhalten eingezogen ist – im Rahmen des gesellschaftlichen Wandels.
Brauchen wir also überhaupt noch einen Schreibtisch?
Nicht unbedingt! Viele verschiedene „New Work“-Modelle mit flexiblen Arbeitszeiten und –plätzen werden bereits in großen und kleinen Unternehmen umgesetzt. In vielen Unternehmen gibt es ganz selbstverständlich weniger Schreibtische als Mitarbeiter. Angestammte Schreibtische sind nicht selbstverständlich, man arbeitet überall, im Unternehmen, zu Hause, im Café mobil und passt – wenn man denn im Büro ist – seinen Arbeitsplatz der Arbeitssituation an (Ruhezone, Lounge, Telefonzelle, Besprechungsraum…). Das Büro wird immer mehr zur Kommunikationsort.
Das klassische Einzelbüro ist nicht mehr an eine Person oder an Privilegien gebunden, sondern dient als nichtterritorialer Rückzugsraum für konzentriertes Arbeiten.
Das ist nicht so abwegig, denn auch in Unternehmen ohne Home office-Möglichkeiten beträgt die “sharing rate“ (also die Besetzungsrate) unter Berücksichtigung von Urlaub und Krankheit aller Mitarbeiter durchschnittlich 85 % in deutschen Betrieben.
Das klingt so einfach…. Grundlage für den Erfolg flexibler Arbeitskonzepte müssen jedoch sehr gut durchdachte und überlegte organisatorische Strukturen sein. Sonst enden solche Arbeitsformen schnell in Desorganisation und Unzufriedenheit auf allen Seiten.
Digitale Prozesse und Workflows müssen sehr detailliert mit allen Beteiligten erdacht werden. Das ist harte Arbeit und braucht umfassendes Denken. Wenn z.B. Teilaktivitäten bestehender Prozesse digital optimiert werden, verändert sich ggf. der Gesamtprozess durch diesen Eingriff so relevant, dass er gefährdet ist. Das kann – gerade in größeren Konstrukten – eine Mammutaufgabe sein, die Gründlichkeit erfordert und im Ergebnis die Zufriedenheit aller Beteiligten steigert!
Homeoffice = Arbeitgeberattraktivität
Die Möglichkeit, die eigene Arbeitszeit und den eigenen Arbeitsort flexibel zu wählen, macht Unternehmen attraktiver beim Wettlauf um die besten Talente!
Vieles ist jedoch beim mobilen Arbeiten zu beachten und zu überdenken.
Arbeitgeberseitig:
- Arbeitsschutz, Arbeitszeit und zugehörige Dokumentationspflichten
- Konkrete Rahmenbedingungen
- Klare Regelung der Arbeitszeit, zur Erreichbarkeit oder zur Übertragung der Dokumentationspflicht auf den Mitarbeiter
- Technische Voraussetzungen müssen stimmen und sicher sein
- Rechtliche Voraussetzungen z.B. Datenschutz müssen bedacht werden
- Vertrauen in die Mitarbeiter und deren Selbstverantwortung!
Arbeitnehmerseitig:
- Wo arbeite ich? Habe ich dort die notwendigen Voraussetzungen? (Ruhe, Internetzugang, etc.)
- Selbstdisziplin (Sie gehen nicht mehr in die Firma….!)
- Meeting-Kultur bei z.B. Web-Konferenz: Vorbereitung, Pünktlichkeit
- Ablenkung! Z. B. Haushaltspflichten oder Social Media
- Zeitmanagement & Selbstorganisation
- Pausen machen! (Desk Time, Pomodoro App)
- Erreichbarkeit sicherstellen (Netzabdeckung)
- Kommunikation beachten! Nicht jede E-Mail oder Chatnachricht kommt freundlich rüber – Wortwahl, Zuverlässigkeit, Stil …
Fazit
In sehr kurzen 30 Minuten habe ich versucht, mit Ihnen einen Blick auf das Arbeiten der Zukunft zu werfen, verbunden mit der Botschaft…
- …dass Veränderung und ständiges Lernen in unserem zukünftigen Arbeitsleben Normalzustand sein werden
- …welche enorme Bedeutung „Vertrauen und Verantwortung“ in Zukunft haben werden, und…
- …dass wir in Zukunft sehr genau wissen müssen, was wir wissen müssen und woher wir es bekommen!
Bleiben Sie agil!„
(ENDE – Auszug aus den Gedanken zu meiner Keynote vom 1. Februar 2017)
Gern spreche ich gemeinsam mit Ihnen über das Thema „Arbeit der Zukunft“ – zugeschnitten auf Ihr Unternehmen.
Ich freue mich über Ihren Anruf! +49 40 30068338
Oder schreiben Sie mir: nevermann@office-concepts.hamburg
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